NICHT NUR START-UPS DENKEN IN NEUEN MUSTERN - Interview mit Dr. Ingrid Hengster Mitglied des Vorstands KfW Bankengruppe

Was sind die größten Herausforderungen momentan?

Neben regulatorischen Themen sind Digitalisierung und Modernisierung und ihre Auswirkung auf das Fördergeschäft für uns derzeit ganz zentrale Themen. In meinem Bereich, dem inländischen Fördergeschäft, beschäftigt uns und unsere Anteilseigner Bund und Länder zudem besonders das Thema Innovation: Was müssen wir tun, damit sich der Mittelstand auf die Digitalisierung und die Erfordernisse der Zukunft vorbereiten kann? Wie kann die KfW Gründer optimal unterstützen, damit sie ihre Ideen erfolgreich in die Tat umsetzen können? Daneben kümmern wir uns auch um folgende Fragen: Wie kann die KfW bezahlbaren Wohnraum fördern, damit Menschen, vor allem in den Ballungsräumen Platz zum Leben haben? Wie können wir noch besser zum Gelingen der Energiewende in Deutschland beitragen? 

Gleichzeitig setzen wir momentan die Anforderungen der Regulierung um, denn die KfW ist als Förderbank seit gut zwei Jahren in Teilen dem Kreditwesengesetz (KWG) unterstellt. Es gibt also eine Fülle von ganz unterschiedlichen Fragestellungen, die uns beschäftigen.

Von welchem Unternehmen können Sie am meisten für Ihre Zukunft lernen und warum?

Das ist ja das Faszinierende, wenn man bei der KfW arbeitet und von Berufs wegen ständig neue Unternehmen kennenlernt: Es gibt in Deutschland fantastische Unternehmen. Manche Betriebe sind klein, regional fokussiert und bedienen dort eine spezielle Zielgruppe mit ihrem Produkt oder ihrer Dienstleistung. Manche Betriebe machen mehrere 100 Millionen Umsatz und sind in einem speziellen Feld Weltmarktführer – und zwar über Generationen hinweg. Man lernt von beiden langfristiges Denken, aber auch Kreativität und Beharrlichkeit. Interessant sind natürlich auch die vielen neuen Start-Ups mit ihren vielfältigen Ideen, die sie mit Elan und Tatkraft entwickeln, sei es im Bereich „autonomes Fahren“, Biotech, Fintech. Oder die Forschungsprojekte im Bereich Clean Tech oder Life Science. Wir haben zwar in Deutschland weniger Gründer als noch vor zehn Jahren, was zum großen Teil an der sehr guten Arbeitsmarktlage liegt, die zu einem Rückgang von sogenannten Notgründungen geführt hat. Wir sehen aber auf der anderen Seite, und das stimmt mich optimistisch, viele Menschen, die Lust auf Selbständigkeit haben und sagen: Ich möchte etwas gründen! Vielleicht ist es noch zu früh von einer neuen „Gründerzeit“ zu sprechen, aber die Einstellung zu Unternehmertum ändert sich hierzulande gerade zum Positiven, und das finde ich extrem spannend. Als Förderbank wollen wir diese Menschen natürlich unterstützen, denn ihre Innovationen stärken unsere Wettbewerbsfähigkeit.

Wer beschäftigt sich bei Ihnen im Hause mit dem Thema Zukunft? 

Der Claim der KfW ist „Bank aus Verantwortung“. Themen wie Nachhaltigkeit und langfristiges Denken liegen in unserer DNA. Die ursprüngliche Aufgabe der KfW ist es, mit ihrer Förderleistung die Lebensbedingungen für Menschen in Deutschland, Europa und der Welt zu verbessern. Für den inländischen Förderbereich haben wir drei Megatrends identifiziert, nämlich Klimawandel und Umwelt, Innovation und Wettbewerb sowie Sozialer Wandel. All das sind Zukunftsaufgaben. Zudem gibt es in der KfW verschiedene Einheiten, die sich konkret mit dem Thema „Zukunft“ beschäftigen, wie beispielswiese die Konzernentwicklung, die Produktentwicklungseinheiten für den Mittelstand und für den Privat- und Kommunalkundenbereich. Außerdem eröffnete die KfW vor eineinhalb Jahren ein Innovation Lab. Jeder Bereich der KfW hat mittlerweile spezielle Projekte, die gemeinsam mit dieser innovativen Einheit bearbeitet werden. Da wird Zukunft auch nochmal anders gedacht. Ich möchte auch unsere Digital Akademie erwähnen, die ich für sehr wichtig halte, denn deren Angebote stellen sicher, dass jeder Mitarbeiter sich zu Themen der Digitalisierung weiterbilden kann.  

Wie lang / kurzfristig betrachten und planen Sie Ihre Zukunft? 

Bei uns – wie bei jeder anderen Bank – gibt es eine auf fünf Jahre ausgerichtete strategische Planung. Darin eingebettet ist die kurzfristige Konzerngeschäftsfeldplanung. Zukunft ist heute so viel schneller und gleichzeitig manchmal kurzlebiger als früher. Wir berücksichtigen das auch in unserer Planung. Die dazu gehörigen Prozesse entwickeln wir gerade weiter, um noch effizienter und gleichzeitig flexibler zu werden. 

Wie werden sich die Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Kunden in der Zukunft ändern und wie beschäftigen Sie sich damit?  

Die KfW arbeitet subsidiär, d.h. unsere Kunden sind unsere Finanzierungspartner, also Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Versicherungen. Diese gehen, genau wie wir, momentan durch einen radikalen Veränderungsprozess: Regulatorische Anforderungen müssen umgesetzt werden, weitere Stichworte sind auch hier wieder Modernisierung und Digitalisierung, die die Geschäftsmodelle nachhaltig verändern: Der Bankkunde geht nur mehr selten in eine Filiale, sondern verlangt von seiner Bank, dass sie schnell, online und jederzeit für ihn da ist. Die Banken haben diese Herausforderung erkannt. Alle haben sich auf den Weg gemacht, weil er unumkehrbar ist.

Was will der Endkunde? Auch für uns gilt es einfach, digital und überall verfügbar zu sein. Das heißt, wir müssen unsere Förderprodukte und Prozesse so gestalten, dass unsere Finanzierungspartner damit auf digitalem Weg arbeiten können. Deshalb haben wir schon vor ein paar Jahren damit begonnen, unseren Kreditantragsweg sukzessive zu digitalisieren. Das bedeutet, die Wartezeit auf die Bestätigung der Förderfähigkeit hat sich radikal verkürzt. Wir nannten das den „Cappuccino“-Effekt: Wir haben den Prozess der Antwort der KfW auf einen Förderantrag damit von zehn Tagen auf die Zeitspanne verkürzt, die es dauert, einen Cappuccino zu trinken. Zunächst haben wir das für die Immobilienkredite ermöglicht, nun sind wir dabei, das auch für gewerbliche Kredite einzuführen, was aufgrund der Produktstruktur ungleich komplexer ist. Seit Mitte 2017 haben wir eine Bank nach der anderen aufgeschaltet; Mitte 2018 werden wir dann so weit sein, dass unser gesamtes Antragsgeschäft digitalisiert sein wird. Darüber hinaus arbeiten wir an verschiedenen Neuerungen, wie beispielsweise einer digitalen Plattform für den Gründungsprozess – gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Außerdem arbeiten wir stetig an unserer Präsenz im Internet, damit sich der Kunde rasch und umfassend über uns informieren kann. 

Was bedeutet für Sie Erfolg heute und was, glauben Sie, wird sich in der Zukunft an den Bestandteilen von Ihrem Erfolg verändern? 

Den Erfolg der KfW sehe ich einerseits darin, unserem Förderauftrag im In- und Ausland gerecht zu werden. Es geht darum, Förderthemen zu erkennen, diese mit unseren Eigentümern als Sparringspartner zu besprechen, daraus Produkte zu entwickeln, die gesellschaftlich sinnvoll sind, und diese dann schließlich den Kunden anzubieten, damit sie von unserer Förderung profitieren. Erfolg bedeutet aber auch neue Initiativen, die wir umsetzen: Wir stehen beispielsweise kurz davor, eine Tochter für unsere Beteiligungsfinanzierung zu gründen mit dem Ziel, künftig noch effizienter und mit mehr Volumen den VC-Markt zu beleben und mehr innovative Unternehmen in Deutschland zu unterstützen. Ich freue mich sehr, dass wir ein so wichtiges Projekt umsetzen konnten. Mitte des Jahres 2018 wird die Tochter dann operativ starten. 

 

Welche drei Eigenschaften sind Ihnen am wichtigsten bei Mitarbeitern, die für Sie arbeiten / Sie rekrutieren?

Ich schätze es sehr, wenn jemand neugierig ist und Lust hat, Neues auszutesten. Leidenschaft und Begeisterung für das, was man tut, gehören für mich dazu. Angesichts der schnelllebigen Zeit halte ich auch Veränderungsbereitschaft für eine wichtige Eigenschaft. Bei der KfW arbeiten – das schätze ich zudem sehr – viele Menschen, die das Ziel haben, durch ihre Arbeit einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Diese intrinsische Motivation hat sehr positive Auswirkungen auf die Zusammenarbeit. 

Was war einer Ihrer größten Fehler in der Vergangenheit und wie haben Sie daraus gelernt bzw. Ihr Handeln verändert?

Wer handelt und Entscheidungen trifft, trägt eine große Verantwortung. Ich würde nicht sagen, dass mir in meiner bisherigen Laufbahn grobe Fehler unterlaufen sind – auch dank der guten Unterstützung meiner Mitarbeiter und Führungskräfte – aber ich musste sicherlich schwierige Entscheidungen treffen. Daher habe ich für mich über die Jahre gelernt: Unangenehmes sollte nicht aufgeschoben, sondern direkt angegangen werden. Das hilft meistens allen Beteiligten. 

Mit welchen Menschen tauschen Sie sich außerhalb Ihres Geschäftsfeldes aus?

Für mich ist der regelmäßige persönliche Austausch sehr wichtig. Er schult mich dabei, Probleme und Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu analysieren. Für mich, in meiner jetzigen Position, sind das vor allem Gespräche mit Kollegen, mit anderen Banken und Unternehmen, aber auch mit Politikern in Berlin und Brüssel. Ich rede auch gern mit jungen Menschen, sie haben oft einen ganz anderen Blick auf die Dinge und einen natürlichen Wissensvorsprung bei digitalen Themen. 

Wie würde Ihr (innovatives) Bild des Unternehmens der Zukunft aussehen?

Wer kann heute schon ganz genau sagen, wie ein innovatives Unternehmen der Zukunft aussieht? Ich habe da kein abschließendes Bild. Nicht nur Start-ups denken in neuen Mustern. Ich erlebe auch große, etablierte Unternehmen, die sehr innovativ sind, und stark in Forschung und Entwicklung investieren.  Was sicherlich eine wichtige Fähigkeit ist und sein wird: sich als Unternehmen immer wieder selbst in Frage zu stellen. Nur so ist das Unternehmen offen für Innovation. Auch die Fähigkeit, radikale Veränderungen einzuleiten und umzusetzen, wird wohl immer wichtiger werden. In innovativen Unternehmen sind die Themen Lernfähigkeit der Mitarbeiter, Neugierde an neuen Dingen mitzuwirken und übergreifendes, agiles Arbeiten entscheidend. Auch gemischte Teams sind wichtig. Das klingt selbstverständlich, ist aber extrem schwierig zu implementieren. Denn dafür muss auch die Fehlerkultur funktionieren. Ob irgendwann Hierarchien obsolet werden, kann ich nicht sagen. Für manche Prozesse sind klare Hierarchien wichtig. 

Wer oder was inspiriert Sie und welchen Einfluss hat das auf Ihre Rolle?

Menschen und Teams, die neue Dinge entwickeln, sich an Problemen festbeißen und auch mal gegen Widerstände durchsetzen, weil sie an das Ergebnis glauben - diese Begeisterung und Leidenschaft sind eine Quelle der Inspiration. Start-ups sind ein gutes Beispiel dafür. Inspirierend sind für mich aber auch die Mittelständler, die ganz bescheiden ihr Produkt zeigen, und dann erfährt man im Gespräch, wie groß die Kundengruppe ist, wieviel Mitarbeiter dort arbeiten, wie wunderbar regional verankert und gleichzeitig global das Unternehmen aufgestellt ist. Last but not least: Inspirierend sind für mich auch Erfolge, wie unsere neue Beteiligungstochter, weil dafür alle, innerhalb und außerhalb der KfW, an einem Strang gezogen und in kurzer Zeit ein sehr wichtiges Projekt erfolgreich hochgezogen haben. 

 

stefanie unger